s
Aus der deutschen Vorzeit.
Die erste Gemeinschaft der Germanen bildete die Familie. An der Spitze derselben stand der Vater als Oberhaupt und sorgte für Recht und Schutz der Glieder seines Geschlechts (der Sippe). Wurde ein Glied verletzt oder getötet, so waren die übrigen zur Rache, selbst Blutrache verpflichtet, die nur durch öffentliche Unterwerfung zu einer Buße, dem Wergeld, abgewandt werden konnte. Mehrere benachbarte, freie Grundbesitzer bildeten eine Gemeinde oder Markgenossenschaft und befanden sich im Genusse des Gemeindelandes, dem Allmend. Aus mehreren Gemeinden wurde ein Gau, die erste politische Gemeinschaft, gebildet. In jedem Gau wurden zur Neu- oder Vollmondszeit an einem geweihten Orte, der Malstatt, Versammlungen abgehalten, zu welchen jeder freie Mann in Waffen erschien. An der Spitze der Gauversammlung stand ein Fürst oder Gaugraf, wozu die erfahrensten und angesehensten Männer der edeln Geschlechter gewählt wurden. Der Fürst hatte die Versammlungen und Gerichte zu leiten und war außerdem Führer im Kriege. In dieser Versammlung wurde der freie Jüngling wehrhaft gemacht; hier wurde Recht gesprochen über alles, was Leben und Eigentum anging. Konnte die Versammlung in einer Sache das Recht nicht finden, so nahm sie ihre Zuflucht zum Gottesurteil, zumeist zum Zweikampf, wobei dem Sieger das Recht zugesprochen wurde. Vereinigten sich mehrere Gaue zu einem Kriege, so wurde der tapferste Fürst oder Freie zum Herzog gewählt, der für die Dauer des Krieges den Oberbefehl führte und nach Beendigung desselben in seine frühere Stellung zurücktrat. Die Vereinigung aller Kämpfer bildete den Heerbann. Dieser wurde durch Boten oder den Heerpfeil, der Tag und Nacht von Hof zu Hof gebracht wurde, einberufen, und Priester brachten aus den geheiligten Hainen die Götterbilder herzu. Vor dem Beginn der Schlacht stimmten die Kämpfer feurige Schlachtgesänge an, in welchen sie ihre Götter und Helden feierten, und wobei sie aus der Fülle der Klänge aus den Ausgang des Kampfes schlossen. Sie verstärkten den Ton, indem sie den Schild (altnordisch bardhi) vor den Mund hielten, woher diese Sangesweife den Namen Barditus erhielt. Die Kämpfer waren in keilförmiger Schlachtordnung aufgestellt. Frauen und Kinder, die auf den Wanderzügen zugegen waren, blieben während des Kampfes in der „Wagenburg", von wo die Frauen dem Kampf folgten und die Wankenden anfeuerten. Vom Platze zu weichen galt, wenn man zum Kampfe wieder zurückkehrte, mehr für klug als feige. Wer den Schild in Feindeshand ließ, wurde von Opfern und Volksversammlungen aus-
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§. 19, 2. Heinrich I.
99
924 brachen sie aufs neue gewaltsam und grausam in das deutsche Reich ein. Heinrich gelang es, einen ihrer Hauptanführer gefangen zu nehmen; er erzwang sich dadurch einen neunjährigen W a f f e n st i l l -stand, verpflichtete sich aber zu einem jährlichen Ehrengeschenk. Diese Zusage wurde gehalten, die Zeit der Waffenruhe aber dazu benutzt, feste Plätze zu schaffen und kriegstüchtige Streiter zu bilden; denn nur am Rhein und an der Donau, wo vor Zeiten die Römer geherrscht hatten, gab es eigentliche, durch Wall und Graben befestigte Städte. Jetzt erst wurden in Sachsen und Thüringen Burgen errichtet, aus welchen später Städte entstanden, wie Merseburg, Meißen, Quedlinburg, Goslar rc. Die Burgen wurden so geräumig angelegt, daß bei feindlichen Überfällen das anwohnende Landvolk aufgenommen werden konnte. Jedesmal der neunte Mann von der durch verliehene Ländereien kriegspflichtig gemachten Bevölkerung sollte in die Stadt ziehen, daselbst wohnen und sich von den auf dem Lande Zurückgebliebenen ein Drittel der Ernte zur Aufspeicherung abliefern lassen, damit es in Zeiten der Not nicht an Mundvorrat mangele. So wurde Heinrich zum „Städteerbauer".
Außer dem Heerbanne, der nur zu Fuße kämpfte, bedurfte es den berittenen Ungarn gegenüber einer tüchtigen Reiterei. Eine solche einzurichten war Heinrichs zweite Sorge. Nach diesen Vorkehrungen führte er mehrere Kriege gegen slawische Völkerschaften. Er überschritt die Elbe, besiegte die Haveller 927 an der Havel, nahm ihre Hauptstadt Brannibor ein und machte ihren Fürsten tributpflichtig. Gegen neue Einfälle errichtete er die Markgrafschaften Nordsachsen (später Altmark genannt) und Meißen, in die er Markgrafen als Richter, Heerführer und Grenzwächter einsetzte. Ebenso zwang er die Böhmen zur Tributzahlung. Als der Ablauf des Waffenstillstandes mit den Ungarn nahte, erschien eine ungarische Gesandtschaft, um das jährliche Ehrengeschenk zu fordern. Heinrich -entließ sie mit harten Worten, und die Gesandten entfernten sich mit furchtbaren Drohungen. Schon im folgenden Jahre (933) zogen die Ungarn in zwei Heerhaufen heran. Die Deutschen waren aber jetzt auf den Reiterkampf eingeübt, und die Ungarn konnten sich ihnen nicht mehr durch schnelle Flucht auf ihren leichten Rossen entziehen. Der eine Heerhaufe wurde von den Sachsen und Thüringern teils ausgerieben, teils zersprengt, der andere, der daraufhin die Belagerung von Merseburg aufgab, wurde von Heinrich 933 „auf dem Ried" bei Merseburg (vielleicht Rietheburg an der Unstrut) so vollständig geschlagen, daß Deutschland nun 22 Jahre von den Einfällen der
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Extrahierte Personennamen: Heinrich_I. Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Heinrichs Heinrichs Heinrich_-entließ Heinrich Heinrich_933 Heinrich
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Dritte Periode des Mittelalters.
den Menschen zu wandeln. Hierauf empfing er die Abzeichen des Ritterstandes, die goldnen Sporen, das Panzerhemd, den Harnisch, die Armschienen, die Ritterhandschuhe und das gegürtete Schwert. Vor dem Altare knieend, erhielt er mit der flachen Degenklinge drei Schläge aus Hals oder Schulter. Dies war der Ritterschlag, bei welchem folgende Worte üblich waren: „Im Namen Gottes, des heiligen Michael und Georg schlage ich dich zum Ritter." Mit Helm, Schwert, Schild und Lanze schwang sich der neue Ritter auf ein geschmücktes Roß und sprengte davon. Geschah der Ritterschlag nicht auf dem Schlachtfelde, so wählte man dazu hohe Feiertage und verband mit demselben ein Turnier, das größte Fest der Ritter.
Das Rittertum duldete keine Beleidigung und sühnte dieselbe im Zweikampf. Der Herausfordernde warf dem Gegner den Handschuh vor die Füße; hob ihn dieser auf, so war dies ein Zeichen, daß er den Zweikampf annahm und vor Zeugen auskämpfen wolle.
Die Turniere waren festliche Kampfspiele, bei welchen der Ritter feine Gewandtheit zeigen und Ruhm und Preis einernten sollte. Schon lange vorher verkündigten besondere Herolde die Anordnung eines Turniers. Wer an demselben als „Kämpe" sich beteiligen wollte, schrieb seinen Namen bei den Turniervögten ein und bewies seine Ehrenhaftigkeit und Turnierfähigkeit. Zu dem Zwecke mußte durch die Ahnenprobe nachgewiesen werden, daß man mindestens vier ebenbürtige Ahnen habe. Wer in eine Stadt zog, um daselbst kaufmännische Geschäfte zu treiben, wer die Tochter eines Bürgers oder Bauers heiratete, hörte für sich und seine Nachkommen aus, turnierfähig zu fein. Mehrere Tage vor dem Beginne der Turniere wurden die Wappen und Helme, Rosse, Lanzen, Streitkolben, Schwerter und Rüstungen der- Angemeldeten geprüft. Der Turnierplatz war mit doppelten Schranken umgeben, hinter welchen sich die Sitze der Zuschauer erhoben. Unter dem Klange der Trompeten zogen die Kämpfenden, je nachdem sie das Los zusammenführte, in die Schranken, und nachdem ihre Namen verkündet waren, gab der Turniervogt unter Trompetenschall das Zeichen zum Angriff. In vollem Galopp und mit eingelegter Lanze sprengten die Kämpfer auf einander los, und wer durch einen gewaltigen Stoß feinen Gegner aus dem Sattel hob, galt als Sieger. Oft brachen die Lanzen, ohne daß einer der Kämpfenden in den Sand fiel oder bügellos wurde. Es mußten darum nicht selten mehrere Lanzen gebrochen werden, bis ein Sieger hervorging. Verwundungen und gefährliche Unglücksfälle waren nicht zu vermeiden, daher kam es, daß die Geist-
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§. 35, 2. Albrecht I. von Östreich.
225
Rosse und wurde ohnmächtig aus der Schlacht getragen. Aber er erholte sich wieder, bestieg ein anderes Roß und eilte abermals ohne Helm in den Kampf. Albrecht focht in unscheinbarer Rüstung und hatte mehreren Rittern seines Gefolges den königlichen Waffenrock anzulegen gestattet. Zwei fielen von Adolfs Hand, welcher in ihnen seinen königlichen Gegner zu durchbohren wähnte. Endlich erkannte er Albrecht, und indem er ihm zuries: „Hier mußt Du Leben und Reich lassen", traf ihn Albrechts Schwert aus die unbedeckte Stirn, daß er zu Boden sank. Ein Waffenträger durchbohrte den Wehrlosen. Ein Kreuz, das von einer alten Ulme beschattet wird, bezeichnet die Stelle, wo der unglückliche König fiel; seine Leiche fand im Dome zu Speier ihre Ruhestätte.
2. Albrecht I. von Östreich 1298—1308.
Die unmittelbare Folge dieses Sieges war die allgemeine Anerkennung Albrechts. Bei einer abermaligen Wahl in Frankfurt vereinigte er alle Stimmen auf sich, dann wurde er zu Aachen gekrönt. Aber der Herrschsüchte Papst Bonifacius Viii. erkannte ihn erst an, nachdem er ihm bedeutende Zugeständnisse gemacht, sich von dessen Gegner Philipp Iv. dem Schönen von Frankreich getrennt hatte und der päpstlichen Partei beigetreten war. Als Albrecht mit großem Prachtaufwand in Nürnberg seinen ersten Reichstag hielt, erschien eines Tages während der Tafel eine hohe Frau im Trauerschleier und warf sich weinend vor seiner Gemahlin Elisabeth nieder. Es war die Königin-Witwe, welche ihren gefangenen Sohn Ruprecht loszubitten kam. Die glückliche Königin versagte der unglücklichen ihre Fürsprache nicht. Aber Albrecht, finster und kalt wie immer, antwortete, sie möge sich an den Erzbischof von Mainz wenden, der den Gefangenen in Verwahrung habe. „So bin ich denn abgewiesen!" rief die unglückliche Gemahlin Adolfs aus, und indem sie sich zu Elisabeth wandte, erhob sie sich und sprach: „Möge Euch Gott niemals ähnlichen Jammer senden!"
Albrecht hatte als Herzog streng und willkürlich gehandelt, er that dies auch als Kaiser. Sein harter Sinn, den der Verlust eines Auges schon äußerlich verriet, hat Liebe nie gefühlt, aber auch Liebe nie gefunden. Sein ganzes Streben war daraus gerichtet, sich und sein Haus groß zu machen und Deutschland in eine unumschränkte, in der Familie Habsburg erbliche Monarchie zu verwandeln. Aber alle seine Pläne scheiterten. Vergeblich war sein Bemühen, die Macht
Casfians Weltgeschichte. Ii. 5. Aufl. v. Ph. Beck. 15
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Aus der deutschen Vorzeit.
alten Germanen für ehrenvoll, und darin wurden auch die Knaben von Jugend auf geübt. Es gab für die Jünglinge kein größeres Fest, als wenn sie zuerst mit dem Vater die reißenden Tiere des Waldes erjagen oder das heiße Getümmel der Schlacht an seiner Seite kennen lernen durften. Der Sohn lernte vom Vater den Gebrauch der Waffen hochachten und die Beschäftigung des Friedens geringschätzen. Darum blieben auch die Männer, wenn Krieg und Jagd ruhten, müßig und stöhnten ihrer Eß- und Trinklust oder schliefen, indem sie die Bebauung des Ackers und die Hut der Herden den Knechten und Sklaven, die Sorge für Haus und Hof den Frauen überließen. Sie hielten es für unwürdig, den Acker zu bauen und durch Schweiß und Arbeit den Lebensunterhalt zu erwerben, wenn man ihn auf anderem Wege, durch Kamps und Blut, gewinnen könne Daher standen Ackerbau und Viehzucht aus niedriger Stufe; der Handel war auf den Eintausch fremder Gegenstände, wie Waffen, Schmucksachen, Metalle, Wein gegen Tierfelle, Vieh, Bernstein u. a. beschränkt. Gewerbe wurden nicht getrieben, und Handwerker kannte man nicht: Hausgeräte und Kleidung stellten die Hausgenossen
selbst her.
Waffen. Die freien Germanen trugen als äußeres Abzeichen ihrer Freiheit stets den Schmuck der Waffen; die Knechte wurden dieser Auszeichnung nicht für würdig erachtet. Die Waffen waren in der ältestenßeit aus Stein, später aus Metall. Die Hauptwaffen waren: der Speer, mit kurzer Eisenspitze zu Stoß und Wurf, der aus Holz gefertigte und mit einer Tierhaut überzogene Schild, zum Schutze gegen Wurf und Hieb, sowie ein langes, gerades Schwert; dazu kamen Bogen und Pfeile. Einzelne Völkerschaften trugen Streitäxte. Helm und Panzer wurden nur von wenigen getragen; das Haupt war entweder frei, oder es war mit der Schädelhaut eines Stieres bedeckt, welcher man Ohren und Hörner belassen hatte. Tierbilder nahmen die Stelle der Fahnen ein.
Die germanischen Frauen standen allenthalben in hohen Ehren. Man glaubte, es wohne ihnen etwas Heiliges inne, und sie könnten mit prophetischem Blicke die Zukunft enthüllen. Die Ehre und Unschuld der Frauen war den Männern stets heilig; niemand lächelte über das Laster. Die Ehe wurde von dem Manne selten vor dem 30., von der Jungfrau selten vor dem 20. Lebensjahre eingegangen. Die Tochter erhielt keine Mitgift; der Bräutigam mußte vielmehr die Braut den Eltern förmlich abkaufen und ihr auch ein aufgezäumtes Roß, einen Schild und einen Speer schenken. Diese Gabe hatte bei den
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§. 1. Land und Volk der Germanen.
7
Germanen eine tiefe Bedeutung und erinnerte die Frau an ihre Pflicht, daß sie im Krieg und Frieden, im Glück und Unglück die treue Gefährtin des Mannes bleiben und mit ihm leben und sterben müsse. Sie empfing an ihrem Ehrentage, was sie unversehrt und würdig ihren Kindern übergeben, und was ihre Schwiegertochter einst wieder empfangen sollte, um es den Enkeln zu überliefern.
Im Haufe war die Frau die über das gesamte Hauswesen gebietende Herrin; ihr gehorchten Knechte und Mägde, ihr lag die Bestellung des Feldes, die Bereitung der Speisen, die Anfertigung der Kleider und die Pflege der Kranken ob. Insbesondere war der Hausmutter die Pflege und Erziehung der Kinder anvertraut, da man diese den Ammen und Mägden nicht überlassen wollte. Die ganze Erziehung war auf Abhärtung berechnet; der Freigeborne und der Sklavenfohn wurden gleich gehalten. Erst später trennte sich im Leben der Freie von dem Sklaven. Unter den Spielen der Jugend war besonders der Waffen tanz beliebt, bei welchem sich die Jünglinge tanzend zwischen Lanzen und Schwertern einherbewegten. Der Lohn bei diesem gefährlichen Spiel war die Freude und Lust der Zuschauer. Hatte der Jüngling unter diesen und ähnlichen Übungen das bestimmte Alter erreicht und sich körperlich entwickelt und ausgebildet, so wurden ihm in feierlicher Versammlung die Zeichen des freien Mannes, Schild und Speer, überreicht; dies nannte man die Schwertleite. Nun trat er in die Reihen des Heeres ein und durfte fortan als wehrhafter, freier Mann an allen öffentlichen Verhandlungen teilnehmen und einen eignen Herd gründen. Nach dem Tode des Vaters erbten die Söhne das väterliche Gut; die Töchter hatten keinen Anteil an demselben (§. 16, 2).
Gemeinde- und Staatseinrichtungen. Bei den germanischen Völkerschaften unterschied man Freie und Unfreie. Unter den Freien ragten die Edel in ge durch großen Besitz und Ansehen hervor, ohne jedoch einen mit Vorrechten versehenen Stand zu bilden. Die Unfreien waren rechtlos und standen unter dem Schutze eines Freien. Sie zerfielen in Hörige (Liten d. h. Leute) oder Halbfreie, die kein freies Besitztum, sondern Haus und Hof in Erbpacht hatten, wofür sie dem Grundherrn zu einer jährlichen Abgabe verpflichtet waren, und Sklaven, wozu meist Kriegsgefangene und deren Nachkommen gehörten, welche zur Feldarbeit verwandt wurden. Die Hörigen waren wie die Freien zum Kriegsdienst verpflichtet, die Sklaven dagegen davon ausgeschlossen. Das Gut des Freien hieß Allod, das Pachtgut des Hörigen Feod.
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§. 30. Das Rittertum und die Ritterorden. 199
lichen gegen die Turniere Einsprache erhoben und zuletzt den Gefallenen ein christliches Begräbnis versagten.
Nach vollendetem Zweikampfe (zuweilen stritten auch ganze Scharen mit einander) erstatteten die Herolde, denen die Handhabung der Turniergesetze oblag, ihren Bericht ab. Wer die meisten Gegner aus dem Sattel gehoben hatte, dem erkannten die Kampfrichter den Dank zu, einen Helm, ein Schwert, eine goldene Kette, eine gestickte Feldbinde oder irgend ein anderes Kleinod, welches die schönste unter den anwesenden Frauen dem Sieger überreichte. Darnach begann
der muntere Festschmaus.
Sonst lebten die Ritter auf ihren Burgen im Kreife ihrer Familie und Dienstleute, besuchten die Jagd, sangen zur Laute oder ritten auf Abenteuer aus. Fahrende Ritter, d. h. solche, welche kein Eigentum hatten, durchstreiften die Länder, besuchten ihre Standesgenossen, erhielten köstliche Bewirtung und erzählten dann von ihren Fahrten Wahres und Erdichtetes.
Ritterburgen. Bei der Anlage der Ritterburgen sah man vorzugsweise auf Sicherheit und Festigkeit. Die Mauern des Erdgeschosses waren sehr fest und dienten als Wälle; viele Burgen lagen hoch auf Bergesgipfeln oder waren mit Mauern und Gräben umgeben. In die Burg führte eine Fallbrücke, welche aufgezogen wurde, und ein Thorweg. Von da gelangte man auf den Burghof, der von Gebäuden rings umschlossen war. Das Hauptgebäude daselbst war der geschmückte Pallas. Derselbe enthielt als größten und schönsten Raum den Rittersaal. Hier hingen die Waffen, Siegeszeichen und Ahnenbilder des Ritters, hier bewirtete er feine Gäste, hier lauschte er den Liedern fahrender Sänger, hier verscheuchte er, wenn draußen Stürme und Unwetter hausten, bei Würfelspiel und Becherklang die tödliche Langeweile. Der obere Stock enthielt die Wohnung (Kemenate) und Schlafgemächer, wo er nicht ausreichte, schloß sich ein Nebengebäude zu gleichen Zwecken an. In der Nähe lag die Kapelle. Die
höchste Stelle der . Burg nahm der B u r g s r i e d , ein starker,
hoher Wartturm ein, der in Zeiten der Not als letzte Zufluchtsstätte diente. Der Eingang zu demselben lag deshalb etwa 10 m
über dem Boden, in der Tiefe befand sich das finstere, schauerliche Burgverließ, wo die Gefangenen schmachten mußten, in der Höhe der Raum für den Turmwart, welcher wie der Thorwächter bei Tag und bei Nacht Ausschau halten und auf alles, was in Sicht kam, achten mußte. Größere Burgen hatten noch eine äußere Umfassung. Der Raum zwischen dieser und der inneren Burg ent-
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32. Die Frauen des dritten Zeitraums.
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rühren, daß er ihrem Gemahl die Freiheit schenkte. Noch bei Lebzeiten des Gatten entsagte sie dem Glanze der Welt, welchen sie nie geliebt hatte, legte allen Schmuck ab, trug nur grobe Kleidung und übte sich in Werken christlicher Demut. Ihr zu Ehren stiftete Heinrich 1203 das Nonnenkloster zu Trebnitz, welchem Hedwig ihren wertvollen Schmuck und viele Güter schenkte. Ihr Gottvertrauen wurde durch Schicksale in ihrer Familie hart geprüft. Ihre Schwester, die Königin von Ungarn, wurde ermordet, ihre Söhne befehdeten sich in unnatürlichem Bruderkriege, und einer derselben fand durch einen Sturz vom Pferde, der andere in der Schlacht bei Liegnitz 1241 den Tod; ihre Brüder wurden der Teilnahme an dem Morde Philipps von Schwaben (1208) angeklagt und geächtet, ihr Stammschloß Meran dem Boden gleichgemacht. Diese harten Schläge ertrug sie mit großem Gottvertrauen. Sie übte sich selbst in Entbehrungen aller Art, während fte den Armen und Kranken mit vollen Händen spendete. 1243 starb sie und wurde auf ihr Verlangen auf dem Kirchhofe zu Trebnitz begraben.
5. Das Rittertum und der Frauendienst. Einen wesentlich anderen Einfluß als die Kirche übte das Rittertum auf die Lage des weiblichen Geschlechtes aus. Die Kirche und ihr frommer Dienst führte die Frauen zur Demut und zu einem beschaulichen Leben fern von der Welt; das Rittertum und der Minnedienst machte sie zum Mittelpunkte des Lebens. Während früher rauhe Kriegsleute den germanischen Frauen gegenüberstanden, traten ihnen seit dem 11. Jahrhundert feine, artige und geglättete Ritter entgegen, welche sich in bestimmten Formen ihren Schönen gegenüber bewegten, um deren Liebe sich bemühten und ihren Dank zu erwerben strebten. Das Rittertum hatte sich von Anfang an die Aufgabe gestellt, die Kirche, die Frauen und alle Schutzbedürftigen zu schirmen. Zwar war der einzelne Ritter allen Frauen zum Dienst verpflichtet; allein vorzugsweise weihte er sich einer Frau, begab sich in ihren Dienst und suchte durch Treue, Gehorsam und Kühnheit ihre Gunst zu erringen. Die Frauen wurden dadurch Gebieterinnen, Herrinnen derritter. Ehe ein Ritter einer Dame seine Dienste anbieten konnte, mußte er sich einer Prüfungszeit unterwerfen, welche die Dame nach Gutdünken verlängern durfte. Manchmal dauerte dieselbe fünf Jahre. Hatte der Ritter diese Zeit glücklich überstanden, so wurde er der Vasall seiner Dame und Herzenskönigin, welche ihn mit allen üblichen Ehren in den Dienst aufnahm. Der Ritter ließ sich auf ein Knie nieder, begehrte mit gefalteten Händen den Minnedienst antreten zu
Saffian! Weltgeschichte. Ii. 5. Aufl. v. Ph. Beck. 14
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Extrahierte Personennamen: Heinrich Heinrich Hedwig Philipps Philipps Beck
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Dritte Periode des Mittelalters.
dürfen und gelobte Treue. Gewöhnlich erfolgte die Einwilligung
der Dame, und ein Ring besiegelte die eingegangene Verbindung.
Der Gebrauch, welcher hie und da bei der Aufnahme in den Ritterstand geübt wurde, die Haare zu scheren, kam auch manchmal beim
Eintritt in den Minnedienst vor. Der Ritter trug nunmehr die
Farben seiner Dame und auch ein Wappenzeichen, welches sie ihm gegeben hatte. Es war dies bald ein Ring, ein Gürtel, ein Band, ein Schleier oder ein Ärmel, welchen sie selbst getragen. Dies be-sestigte der Ritter zu Ehren seiner Dame auf der Lanze oder dem Schilde, und je zerfetzter es aus dem Kampfspiele oder blutigen Strauße hervorging, desto größer war die Freude. Gegen ein neues Zeichen gab es der Ritter öfter seiner Dame zurück, welche es wie den schönsten Schmuck trug. Schon frühzeitig war es Sitte gewesen, daß die Ritter kunstreich gearbeitete Feldbinden und Gewänder von ihren Damen erhielten und ihnen zu Ehren trugen.
Durch diese Auszeichnung, welche das Rittertum dem weiblichen Geschlechte erwies, vergaßen die Frauen wohl ihre eben errungene Stellung und betrachteten nicht selten ihre Ritter als ein Spielzeug, mit dem sie in heiterer, spaßhafter Laune sich die Zeit zu verkürzen erlaubten. Sie ließen sich nämlich nicht daran genügen, von den Rittern im allgemeinen Beweise der Liebe zu verlangen; sie forderten auch im besondern als Beweis des Gehorsams, des Mutes und der Aufopferungsfähigkeit diese oder jene Unternehmung, welche die Geduld der Männer und die Laune der Frauen erkennen läßt. Der Ritter wurde oft in Aussicht auf besondere Gunst mit Ausgaben beladen, welche er nicht erfüllen konnte, und durch furchtbare Ungnade bestraft, welche er, weil es Mode war, mit größter Selbstverleugnung und meist mit wirklichem Schmerz ertrug. Der Tannhäuser, ein Minnesänger des 13. Jahrhunderts, geißelte diesen weiblichen Übermut mit folgenden Worten: „Bald foll der Dame ich den Salamander bringen, die Rhone bald in Nürnberg strömen lassen, die Donau, dann den Rhein hinüber schwingen und noch auf meiner Bitt' Erhörung passen. Ja, Dank sei ihr, ihr Nam' ist Gute; sprech' ich ein Ja, so spricht sie Nein; sie will den heil'gen Gral selbst Han, den Parzival gehütet hat; des Apfels gert sie drauf zur Statt, den Paris Venus hat gegeben; den Zaubermantel auch daneben, der nur den treuen Frauen paßt. O weh, ich bin ihr ganz verhaßt, schaff' ich ihr nicht die Arche rasch zur Hand, daraus Herr Noah Tauben hat entsandt."
Nicht alle Ritter wußten sich so gut über die Launen und den
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